FDP-Fraktion stimmt für den Doppelhaushalt 2021/2022

* Haushaltsreden aller Fraktionsvorsitzenden am 06.05.2021 nur zu Protokoll gegeben.

 

Sehr geehrter Herr Dr. Schumacher,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Verwaltung und der Presse,

liebe Bürgerinnen und Bürger,

seit über einem Jahr hat die Corona Pandemie unser gesellschaftliches Leben und auch die Wirtschaft fest im Griff.

Menschen leiden körperlich, da sie am Virus erkranken, mit Langzeit-Folgen zu kämpfen haben oder sogar an der Infektion sterben.

Menschen leiden seelisch, weil ihnen die Lebensfreude, soziale Kontakte und die Möglichkeit sich von geliebten Menschen verabschieden zu können, genommen sind.

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, allen Erkrankten schnelle und vollständige Genesung zu wünschen sowie allen Hinterbliebenen unser aufrichtiges und herzliches Beileid zu ihrem schmerzlichen Verlust bekunden.

Die Bildungschancen unserer Kinder leiden, denn trotz zunehmender Digitalisierung unseres Bildungssystems können Kinder nicht die Förderung und Betreuung erhalten, soziale Kontakte zu gleichaltrigen pflegen, die sie für ihre Entwicklung dringend benötigen.

Menschen leiden wirtschaftlich, weil die Krise und der Dauerlockdown ganze Branchen im Griff haben, Existenzen bedrohen und nicht zuletzt vernichten.

Vereine, Kunst und Kultur leiden, wenn unser soziales und gesellschaftliches und Leben brach liegt.

Unser Gesundheitssystem steht vor nie dagewesenen Herausforderungen und Belastungen.

Auch unser politisches System leidet. Abstand, der größtmögliche Verzicht auf Präsenzveranstaltungen, politische Diskussionen vor Kamera und Bildschirm oder mit Maske bestimmen unser gemeinsames Ehrenamt. Bestimmender Gedanke der Kommunalpolitik ist derzeit das disziplinierteste Sitzungsmanagement mit dem geringsten Ansteckungsrisiko.

An dieser Stelle sei erwähnt: Es ist erforderlich und richtig, dass wir uns an all diese Regeln halten, vor den Sitzungen testen lassen und derzeit nur dringliche Themen behandeln.

Ebenso ist es auch angemessen, die Haushaltsreden heute nur zu Protokoll zu geben. Und dennoch ist es ein merkwürdiges Gefühl meine erste Haushaltsrede in dem Wissen zu schreiben, sie niemals in bewährter Form halten zu werden. Gerne hätte ich Ihnen und der Öffentlichkeit persönlich vorgetragen, warum die FDP-Fraktion heute dem Haushaltsplan 2021/2022 zustimmen wird.

Ich danke im Namen der FDP-Fraktion dem Kämmerer und der Verwaltung für die Ausarbeitung des Haushaltsentwurfes 2021/2022. Besonderer Dank gilt dem Kämmerer Herrn Heinrich für die konstruktive Haushaltsklausur und die Beantwortung unserer Fragen im Vorfeld.

Wie ein Damoklesschwert hing es über uns, das Ziel: Wir müssen 2021/2022 einen ausgeglichenen Haushalt darstellen! Nun liegt er also vor, ein Haushaltsplan, der für die Jahre 2021 bis 2023 einen ausgeglichenen und genehmigungsfähigen Haushalt darstellt. Mittelfristig für die Jahre 2024 und 2025 ist der Haushaltsausgleich nicht mehr darstellbar. Anders als möglicherweise meine „Vorredner“ werde ich mich als eine der beiden kleinsten Fraktionen im Rat nicht intensiv am Zahlenwerk abarbeiten. Festzustellen ist, dass wir mehr oder weniger erfolgreich das Haushaltssicherungskonzept verlassen werden.

Warum betone ich mehr oder weniger erfolgreich? Nicht außer Acht lassen können wir, dass der Ausgleich nur durch die im letzten Dezember beschlossenen Steuererhöhungen der Grund- und Gewerbesteuer, die COVID-Isolierung und ein „Schönrechnen“ der Personalkosten gelingt. Die Isolierungsmöglichkeiten gelten für die Jahre 2021 bis 2024 und werden dann ab 2025 über maximal 50 Jahre abgeschrieben. Durch die Möglichkeit der Isolierung können zwar die Ergebnispläne verbessert werden, für die Liquiditätsplanung kann dieses Ziel allerdings nicht erreicht werden. In allen Jahren der mittelfristigen Planung weisen die Salden der laufenden Verwaltungstätigkeiten ein Defizit auf. Dies führt zu einer stetigen Verschlechterung der Kassenlage und zur Erhöhung der Liquiditätskredite und der damit verbundenen Zinsaufwendungen.

Hier stellt sich die Frage sieht so nachhaltige und generationengerechte Finanzpolitik aus? Aus Sicht der FDP-Fraktion erscheint dies fragwürdig, dennoch geht die Pflicht zum Haushaltsausgleich vor, da auf Dauer keine Pflicht erfüllt und kein Gestaltungsspielraum besteht, wenn der Haushaltsausgleich nicht gelingt.

Der Haushaltsausgleich darf nicht der Auftakt für ein Zeitalter unbegrenzter Ausgaben sein. Das hohe Investitionsvolumen bis zum Jahr 2025 in der Höhe von rund 50 Millionen Euro könnten diesen Verdacht erwecken. Wir stellen fest, dass die Gemeinde in den kommenden Jahren massiv in ihre Zukunft investiert. Von einer neuen Kita, über den Ausbau von OGS Plätzen und Sanierungsmaßnahmen in unseren Grundschulen, neuer Technik und Gebäude für die Freiwillige Feuer bis hin zur Verkehrsinfrastruktur, fließt das Geld in viele wichtige Projekte. An dieser Stelle soll keine umfassende Auflistung aller Maßnahmen und Projekte folgen, die uns Freien Demokraten am Herzen liegen. Dennoch möchte ich kurz auf einige Themen eingehen.

Als FDP brennen wir für die Digitalisierung der Gemeinde Alfter, die Herausforderungen, die auf uns warten sind nicht zu unterschätzen:

Digitale Infrastruktur, schnelles Internet ist leider immer noch nicht flächendeckende Realität. Auch bei der Digitalisierung der Verwaltung im Bereich der Bürgerdienste, der Flexibilisierung und Modernisierung der Arbeitsabläufe und Arbeitsbedingungen innerhalb der Verwaltung gibt es noch viel zu tun. Unsere Verkehrsinfrastruktur atmet noch den Geist des 20. Jahrhunderts, was hindert uns daran den Ausbau von App-basierten Bedarfssystemen und Sharing-Angeboten mutig voranzutreiben?

Auch der demografische Wandel, mit einer immer älter werdenden Gesellschaft wird uns vor große Herausforderungen stellen. Die Anzahl der mit Einschränkungen und Behinderungen lebenden Menschen in Alfter wird zu nehmen. Inklusion ist eine Frage von Menschenrechten und damit gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir stärker als bisher in den Fokus rücken müssen. Es reicht nicht aus, lediglich auf bereits vorhandene gesetzliche Verankerungen und DIN-Normen abzustellen. Denn trotz der UN-Behindertenrechtskonvention und des Benachteiligungsverbotes für Menschen mit Behinderung in Art. 3 unseres Grundgesetzes, bestehen auch im Jahr 2021 noch massive Barrieren im Alltag. Im Rahmen der zahlreichen Sanierungs- und Neubaumaßnahmen in den nächsten Jahren, gilt es „Barrieren in den Köpfen“ abzubauen, Planer zu sensibilisieren und Alfter gemeinsam, Schritt für Schritt zu einer inklusiven Kommune zu entwickeln.

Der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, Gegenwarts- und Zukunftsthema, das nicht nur die hier heute anwesenden Generationen betrifft, sondern insbesondere auch jene Generationen, die in diesem Gremium noch gar nicht vertreten sind und erst in Zukunft in der Gemeinde Alfter leben werden. Klimaschutz wollen wir Freien Demokraten ohne Bevormundung und Verbote, sondern durch Anreize und mit Technologieoffenheit gestalten.

Das Umweltbewusstsein der Bürger*innen ist stärker als jemals zuvor. Beratungen sind ein wichtiger Baustein. ILEK ist ein effizientes Projekt, das mit sehr viel ehrenamtlichen Engagement verbunden ist, zusätzlich investiert die Gemeinde in einen Klimamanger. Es ist kein Geheimnis, dass die FDP-Fraktion im Kreistag die Energieagentur Rhein-Sieg e.V. stets mit dem Verweis auf Doppelstrukturen und den hohen Kosten für die Kommunen abgelehnt hat. Klima- und Energiepolitik sind untrennbar miteinander verbunden. Es kann nicht Ziel einer sinnvollen Klima- und Umweltpolitik sein, sich in diversen Gremien zu verzetteln und Parallelstrukturen zu schaffen. Eben solche Parallelstrukturen sehen wir insbesondere im Bereich der Energieberatung, daher können wir einem Beitritt der Gemeinde Alfter zur Energieagentur Rhein-Sieg e.V., parallel zu ILEK nicht zustimmen.

Die Verwaltung schlägt vor, den Stellenplan um insgesamt zwei weitere Stellen, im Fachgebiet 1.2 „Allgemeine Serviceleistungen, Organisation und Technik“, speziell in der EDV-Abteilung, sowie im Fachgebiet 4.3 „Bauleitplanung und Bauen“ zu ergänzen. In Anbetracht der vielfältigen Maßnahmen und Projekte, unterstützen wir dies.

Aus Sicht der Freien Demokraten ist und bleibt es richtig, dass sparsame Haushaltsführung und ein kritischer Blick auf alle Ausgaben auch in Zukunft eine große Rolle spielen werden, um die mittelfristige Entwicklung zu einem strukturellen Haushaltsausgleich umzukehren.

„Defizite von heute sind die Steuern von morgen“

David Ricardo, britischer Ökonom

Mit Blick auf die Defizite in den Jahren 2024 und 2025 höre ich bereits den Ruf nach weiteren Steuererhöhungen. Für Bürger*innen einschneidende Steuererhöhungen sind bereits in diesem Jahr in Kraft getreten. Die Gewerbesteuer stieg demnach von 525 auf 540 Prozentpunkte, sowie die Grundsteuer B von 685 auf 750 Prozentpunkte. Das ist für viele Bürger*innen und für unsere Betriebe gerade in dieser schweren Zeit eine enorm hohe zusätzliche Belastung.

Eine neue Studie der OECD, die jährlich die Steuer- und Abgabenlast unter ihren Mitgliedsstaaten vergleicht hat kürzlich aufgezeigt: Deutschland ist bereits jetzt bei Steuern und Abgaben Weltmeister. Auch Alfter zählt zu den Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis mit den höchsten Realsteuerhebesetzen und führt die „Tabellenspitze“ bei der Gewerbesteuer mit deutlichem Abstand an. Weitere Steuerhöhungen können und dürfen wir uns im Interesse aller Bürger*innen, Betriebe und der Ansiedlung neuer Unternehmen nicht leisten.

Was bleibt also sind Einsparungen. Wir glauben, dass auch bei den Investitionsmaßnahmen jeweils genau hingeschaut werden muss, Beschlüsse überprüft werden müssen, wo es sinnvolle Einsparmöglichleiten oder Streckungen gibt.

Der Doppelhaushalt 2021/2022 ist ein guter Auftakt in die aktuelle Wahlperiode. Mit diesem Haushalt setzen wir richtige Weichen und investieren in die Zukunft der Gemeinde. Gleichwohl dürfen wir aber nicht die Augen vor den Herausforderungen schließen, die noch vor uns liegen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Die Rede steht als pdf zum Download zur Verfügung.

 

 

 

 

 

 

 

Haushaltsrede der FDP-Fraktion zum Doppelhaushalt 2021/2022